All eyez on… Ahzumjot (Interview)

Ahzumjot Artikel

Ahzumjot ist ab sofort nix mehr egal (Foto: Christoph Voy)

Ahzumjot über das Ende der Scheißegal-Einstellung, besoffene Touristen und den Mythos vom unbeschwerten Künstlerleben

Ahzumjot ist in der ersten Liga angekommen. Davon, dass das auf seine Live-Performance zutrifft, konnte man sich in den letzten Jahren ausführlich überzeugen. Neue Musik gab es jedoch seit seinem 2011 erschienen Debut „Monty“ nur in homöapathischer Dosis zu hören. Die Fans wurden mehr und wollten mehr. Da würde ein künstlicher Hype erzeugt, sagten die einen, gute Musik braucht Zeit, die anderen. Wie dem auch sei – das Ergebnis heißt „Nix Mehr Egal“, erscheint am 22.08.2014 und wird – so viel kann man nach dem ersten Hören schon mal orakeln – die Wartezeit wert gewesen sein. Bis dahin wird noch ein bisschen getourt, zum Beispiel zum splash!-Festival, wo wir Alan Julian Asare kurz vor seinem Auftritt getroffen haben.

PUNKPOPRAP: Auf deinem ersten Album „Monty“ ging es noch um Sinnsuche und Orientierungslosigkeit. Auf „Nix Mehr Egal“ steht eher die Kritik am Hedonismus der Generation Berghain im Vordergrund. Gab es einen konkreten Moment für dich, in dem du festgestellt hast, okay, jetzt ist nix mehr egal?

AHZUMJOT: Ich hatte immer ein sehr bodenständiges Umfeld, aus Leuten, die eher etwas aus ihrem Leben machen wollten, anstatt nur rumzuhängen. Aber als ich nach Berlin gezogen bin, hab ich gesehen, dass die meisten da einfach so Rummhänger waren. Dann bewegt man sich in diesen Künstlerkreisen und wohnt auch noch die ersten eineinhalb Jahre in Kreuzberg, wo dich ständig jeder fragt, ob du mit feiern kommst. Einen Monat lang habe ich dieses Feiern mitgemacht und dann dachte ich mir, boah ist das scheiße. Auch diese ganze Oberflächlichkeit, dieses ey ich zieh mich geil an, geh auf Party, dann besauf ich mich und hab hier ne Frau und da ne Frau, war ein Beweggrund hinter „Nix mehr egal“. „Der coolste Motherfxcker“ ist zum Beispiel nach einer Party entstanden, wo ich dachte, die laufen alle rum wie die coolsten Motherfucker.

Kannst du auch ein bisschen verstehen, dass die Leute angesichts der ganzen Scheiße, die gerade auf der Welt passiert, einfach auf Durchzug schalten?

Schon ja. Sonst drehst du wahrscheinlich wirklich durch und je mehr Gedanken du dir machst, desto schwieriger wird alles. Da gibt es auch diesen Satz aus Matrix, der aber auch nur von irgendeinem Philosophen ist: „Unwissenheit ist ein Segen“. Es ist natürlich immer einfacher, wenn du unwissend bist und blind durch die Welt marschierst. Dann wirst du oberflächlich glücklich. Wenn die Welt untergeht, hattest du wenigstens bis ans Ende Spaß. Ich bin mir ja auch nicht immer komplett dessen bewusst, was in der Welt geschieht. Obwohl ich mich natürlich informiere, weil es mich interessiert. Und genau dieses Interesse sollte man haben. Ein gutes Beispiel war das Deutschlandspiel gegen Brasilien. Bei den ganzen online-Newsportalen waren die ersten fünf Artikel nur über dieses 7:1. Einer ging darüber, dass Neymar enttäuscht ist, der andere darüber, dass Brasilien enttäuscht ist, Aufruhr in Sao Paulo, Busse wurden angezündet, wird Deutschland Weltmeister? Und dann kommt irgendwo ganz weit unten „25 Leute sterben bei Bombenattentat“.

In den Halbzeitnachrichten ging der Sprecher auch relativ nahtlos vom Angriff auf Gaza zurück zum Fußball. 

Ja genau und das ist einfach diese Konditionierung. Opium fürs Volk. Die Leute ruhig halten und mit den schönen Dingen berieseln, anstatt sie mit den schlimmen zu konfrontieren. Das macht das Album natürlich auch ein bisschen, es ist durchaus kein politisches Album. Ich spreche Politik gar nicht an, sondern dass man sich einfach mal dafür interessieren sollte, was um einen herum passiert und vor allem was mit dir selber geschieht. Denn das sollte dich fast noch am meisten interessieren. Wie viele Leute interessiert es denn wirklich, was mit ihnen geschieht? Manchmal habe ich das Gefühl, die meisten Menschen leben wirklich einfach so in den Tag hinein und kucken so was der Tag hergibt…

…weil es einfacher ist.

Genau, natürlich ist es einfacher einen 9-to-5-Job zu haben, der dich eigentlich ankotzt, aber du kannst wenigstens um 17 Uhr nach hause gehen, der Tag ist beendet und dir ist alles egal. Aber das ist etwas, von dem ich mich schon früh verabschiedet habe.

Verfällt man als Künstler vielleicht weniger in diese 9-to-5-Mentalität weil es sie gar nicht so gibt? 

Moment, das ist Quatsch und da komm ich jetzt mal mit dem großen Gegenargument. Als Künstler verdient man ja nicht so viel, vor allem am Anfang und als ich „Monty“ gemacht habe, hatte ich tausende Nebenjobs. Da bin ich um 8 aufgestanden, bin um 9 Uhr in irgendeinen Einzelhandel oder zu Vapiano an die Pasta gegangen und hab da gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Bis 18/19 Uhr. Dann bin ich nach Hause gekommen und habe Musik gemacht. Eigentlich hatte ich eine komplette 9-to-5-Routine.

Verändert sich das Musikmachen, wenn man weiß, ich muss damit Geld verdienen?

Nein eigentlich nicht, weil ich immer noch realistisch genug bin, dass ich sage, man weiß ja auch nicht wie lange das funktioniert. Auf meinem Album geht es viel um Ewigkeit und Unendlichkeit und was das eigentlich bedeutet. Und deshalb bin ich mir auch dessen bewusst, dass ich, wenn es nicht funktionieren sollte, etwas anderes machen muss. Ich habe jetzt nicht gesagt, boah ich bin jetzt Künstler und das bis ans Ende meiner Tage, jetzt bin ich ein gemachter Mann. Weil das ist nicht der Fall.

Ahzumjot Nix Mehr Egal

“Nikolai kam ins Büro beim Management und meinte direkt ey, ich hab gar keine Ahnung von HipHop” Ahzumjot über seinen Produzenten Nikolai Potthoff (Foto: Christoph Voy)

Aber seit „Monty“ 2011 erschienen ist, hat sich wahrscheinlich einiges verändert?

Als ich „Monty“ raus gebracht habe, war das so eine Ich-mach-das-jetzt-mal-Aktion. Niemand kannte mich, ich wusste nicht was mich erwartet und es hätte genauso gut sein können, dass es auch dabei bleibt: Den Typen kennt niemand, will niemand kennen, Punkt. Dann wurden aber schon bevor das Album rausgekommen ist, Leute aus der Szene darauf aufmerksam und ich wurde zum Beispiel von Stickle in einem interview erwähnt. Dadurch wurde gefragt, wer ist das überhaupt? Dann kam das Album raus und hat doch ein zwei kleine Wellchen geschlagen.

Wie ging es dann weiter?

Ich habe von Casper das Angebot bekommen, Support zu machen, dann gab‘s die Tour mit Cro und Rockstah und schließlich bin ich auch alleine auf Tour gegangen. Ich hatte einfach sehr viel live zu tun. Allein im Jahr 2012 habe ich knapp hundert Shows gespielt. Wir dachten alle was ist denn jetzt los, wieso spiele ich denn so viel Live? Ich hatte in meinem Leben bisher vielleicht 30 Gigs gehabt und ich mache nun mal seit 2006 Musik. Nebenbei habe ich natürlich auch immer Musik gemacht, aber vor allem hat es gedauert, weil wir die ganze Zeit einen Produzenten gesucht haben. Wir wollten jemand professionellen, der das Ganze musikalisch auf das nächste Level heben kann.

Wie wurdet ihr fündig?

Ich kannte nicht so wirklich viele Leute in Berlin und dann hat mich Beat (Gottwald) irgendwann gefragt, kennst du Nikolai Potthoff? Der hat gerade Leslie Clio produziert. Ich meinte nein, keine Ahnung, noch nie gehört. Also habe ich mich mit ihm getroffen und Nikolai war der erste, bei dem ich sofort ein richtig geiles Gefühl hatte. Der kam ins Büro beim Management und meinte direkt ey, ich hab gar keine Ahnung von HipHop. Ich dachte mir, vielleicht ist das auch mal interessant. Die HipHop-Einflüsse bringen ich und mein Kollege Lev (Levon Supreme), der genauso Musik mitgeschrieben hat, genug mit. Vielleicht ist das der nötige Touch. Im Studio hat sich dann herausgestellt, dass Nikolai wahnsinnig viel Ahnung von HipHop hatte, aber einfach noch nie HipHop produziert hat. Als ich dann das erste Mal bei ihm zuhause war, hat er mir Platten von LL Cool J, Ma$e und alle Classics gezeigt. Er hat mir tatsächlich HipHop gezeigt, den ich selbst noch nicht kannte. So richtigen Bloggershit.

Das interessiert mich jetzt aber…

Zum Beispiel Zebra Katz, hatte ich noch nie gehört und dann spielt der das irgendwann im Studio und ich fands voll geil. Oder Haleek Maul, kennste den? Ganz fieß.

Also eigentlich ein Rapnerd?

Ja! Der Typ kennt sauviel und hat ein super Gespür für Sounds und das hört man dem Album auch an. Wenn man zum Beispiel so etwas wie „Es ist gut wie es ist“ nimmt: Wie da die Sounds getriggert werden und die Drumms komisch herumflirren. Das ist so geil! Wir waren da in diesem Dreierteam und haben uns reingenerdet. Das war perfekt und es hat sich nie angefühlt, als würden wir ein Major-Album machen, sondern als würden drei Kumpels Mucke machen.

Auf „Nix Mehr Egal“ sind viele potentielle Singles. Nachdem ich das Album zum ersten mal gehört habe, war ich überrascht, dass du „Der Coolste Motherfxcker“ als erstes veröffentlicht hast.

Wir haben uns schon gefragt, ob es klug ist, „Der coolste Motherfxcker“ als erstes rauszuhauen. Denn eigentlich ist der Song nicht so repräsentativ fürs Album. Weder vom Sound, noch wie ich da rappe, noch die Attitüde. Der Song ist komplett ironisch und eigentlich passt das nicht so richtig als erstes Ding. Aber vielleicht ist das auch gerade spannend, weil wie du ja auch bemerkt hast, bricht es mit Erwartungen, die man an mich stellt. Uns war natürlich klar, dass wir einige potentielle Singles haben, aber ich glaube einfach, dass es falsch gewesen wäre, mich mit dem ersten Major-Album direkt nach dem Motto zu positionieren: jetzt hat er einen Major, dann ist der erste Song natürlich featuring Adel Tawil. Das wollten wir auf jeden Fall verhindern, insbesondere ich.

„Als ich ‚Monty‘ gemacht habe, wusste ich einfach nicht, was Live funktioniert“

Wie habt Ihr die Leute im Video zu „Der Coolste Motherfxcker“ zum mittmachen animiert?

Die fanden das total geil. Das waren einfach Urlauber und als die uns da mit den Kameras gesehen haben, waren die sofort dabei. Die waren halt wahrscheinlich auch alle todesbesoffen und deshalb war es nicht so schwer, die zu animieren. Wir haben da eigentlich das Video zu „Es ist gut wie es ist“ gedreht und sind dann in dieser Karaokebar gelandet. Wir haben gedacht, das nehmen wir jetzt spontan mit.

Hattest du in der Zeit, vor der Albumproduktion auch mal an etwas gearbeitet, dass du verwerfen musstest, weil jemand anderes etwas ähnliches gemacht hat?

Ich wollte zuerst sehr in diese Santigold-Richtung gehen, weil mich ihr letztes Album sehr gekickt hat. Dann fand ich zum Beispiel die Produktion bei Woodkid und dieses ganze Marching-Drum-Zeug geil. Aber da hat sich ja herausgestellt, dass das einfach jeder gemacht hat und dann war ich da raus. Aber ich hatte in der Zeit vor dem Album schon Beatskizzen gebaut, zum Beispiel für „Für Immer“. Die haben wir dann im Studio noch fetter und größer gemacht. Genauso bei „Immer Held“. „Schlaraffenland“ und „Besser Jetzt Als Spät“ sind von Lev gewesen, die hat er schon zuhause gemacht.

Hat sich deine Live-Erfahrung auf das neue Album ausgewirkt?

Klar, als ich „Monty“ gemacht habe, wusste ich einfach nicht, was Live funktioniert. Vor allem, wie man die Luft einsetzt. ich habe geschrieben und geschrieben und live gemerkt, dass ich den Part gar nicht durchrappen kann. Mittlerweile habe ich auf so was geachtet und darauf, dass die Betonung immer sitzt und vor allem habe ich auch meine Stimme mehr eingesetzt. Auf der Monty Platte rede ich ja fast schon, hatte live aber schon immer einen ganz anderen Druck. Es war oft so, das die Leute gekommen sind und meinten, man ich hab gedacht, du bist live genau so ein Langweiler wie auf Platte, aber du gehst ja voll ab!

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Wenn Tim nicht gerade hier ist, schreibt er für ein großes Hasen-Magazin, das natürlich hauptsächlich wegen der tollen Texte gelesen wird.

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