Bleiben oder gehen? Feine Sahne Fischfilet im Interview

Feine Sahne Fischfilet

Bleiben oder gehen? Feine Sahne Fischfilet in ihrer ganzen Pracht (Foto: owieole)

Feine Sahne Fischfilet über Ärger mit dem Verfassungsschutz, ihre gespaltene Beziehung zu Meck-Pomm und Gemeinsamkeiten mit der HipHop-Szene

Die Süddeutsche Zeitung nennt sie ein „personifiziertes politisches Statement“  und Deutschlands Indie-Pate Thees Uhlmann schreibt für den Spiegel eine Lobeshymne auf ihr „erschütternd wundervolles“ neues Album. Doch trotz ausverkauften Touren und Respektbekundungen vom schwarzen Block bis hin zum Popfeuilleton gönnen sich Feine Sahne Fischfilet keine Pause und machen weiter Lärm gegen Faschisten und für mehr Liebe. Kurz nachdem ihr neues Album „Bleiben oder Gehen“ erschienen ist, hat uns Max Bobzin (Trompete) einige Fragen beantwortet.

Wenn es in HipHop-Kreisen um das Thema Punk geht, fällt meist euer Name. Warum ist das so?

Ist das so? Geil! vielleicht weil wir in letzter Zeit eine so hohe mediale Präsenz hatten und oftmals auf Tour sind. Vielleicht auch weil wir uns nie trennscharf von anderen Musikrichtungen abgegrenzt haben und deshalb auch ab und zu mit ein paar Reimeschmieden abhängen. Wir konnten bisher nur Punk, würden wir auch geil rappen können, hätten wir es vielleicht schon ausprobiert.

Ihr habt mit Kobito zusammengearbeitet, lasst Waving the Guns als Support spielen und habt auf dem neuem Album „Bleiben oder Gehen“ einen Rappart. Woher kommt eure Verbindung zu HipHop?

Einige von uns oder Leuten in unserem Umfeld hören ab und zu HipHop. Die persönliche Vorliebe öffnet dann sicherlich den Weg auch selbst Neues auszuprobieren. wir haben uns davor nie verschlossen, auch wenn crossover-sachen leider viel zu oft peinlich wirken und man sich wünscht, diejenigen hätten es besser sein gelassen. Bisher probieren wir aber ab und zu noch rum und manchmal kommt was Interessantes dabei raus.

Gibt es für dich Parallelen zu Punk?

Punk und HipHop sind sich in ihrer Einstellung definitiv ähnlich. Beide Subkulturen haben ursprünglich einen Anspruch, die Verhältnisse wie sie sind, zu kritisieren. Heutzutage geht dieser Anspruch leider viel zu oft in beiden Genres flöten und wird zugunsten von Fame, der nächsten Cap oder ausverkauften Konzerten geopfert. Jedoch gibt es auch Unterschiede. Zum Beispiel habe ich nicht den Eindruck, dass jede Punkband gleich bockig ist wenn ihr neues Album nicht chartet und nicht als das Album des Jahres gefeiert wird. Da scheißt man eher nochmal drauf. Im HipHop habe ich heutzutage schon den Eindruck, dass viele Künstler gleich eingeschnappt sind, wenn ihr neues Ding nicht wie erhofft ankommt.

„Wir haben keinen Bock, dass ihr unsere Mucke feiert“

Euer neues Album erscheint wieder über Audiolith. Das Label ist vor allem für elektronische Musik, an der Grenze zu HipHop, oft mit politischem Einschlag bekannt. Wie passt ihr als Punkband dazu?

Audiolith sind und waren von jeher in ihrer Attitüde Punkrockers. Da brauchte es nur ein, zwei gemeinsame Suffabende, um die vielen Gemeinsamkeiten zu entdecken. Menschlich standen wir uns von Anfang an sehr nahe und auch grade mit dem politischen Anspruch haben wir da ziemlich gut reingepasst. Wir hatten natürlich schon eine Weile auf Bands wie Egotronic und Frittenbude geschielt, fanden die klasse und wollten sie kennenlernen. Keine Ahnung, ob wir auch bei einem anderen Label genommen worden wären, aber das stand auch nie zur Diskussion, wir waren von Anfang an glücklich im Hause Audiolith.

Ihr werdet dieses Jahr bei Rock am Ring spielen. Wie geht ihr mit dem alten Künstlerkonflikt zwischen Underground und Kommerz um?

Wir haben uns zum Glück nie selbst das Label des „undergrounds“ gegeben und wollten immer gern neue Wege ausprobieren. Am schlimmsten finden wir den Stillstand. Wenn wir immernoch auf dem Stand von vor sechs Jahren wären, hätten wir heute vielleicht selbst keinen Bock mehr drauf. Große Festivals zu spielen, sehen wir als Chance, Leute zu erreichen, die wir sonst nie kennen gelernt hätten.

Muss sich, wenn man mit politischen Inhalten möglichst viele Leute erreichen will, auch die Musik verändern?

Keine Ahnung ob es überhaupt eine gute Herangehensweise ist mit politischen Inhalten möglichst viele Leute erreichen zu wollen. Ab und zu ist es bestimmt auch besser sich von gewissen Leuten zu distanzieren und zu sagen: Wir haben keinen Bock, dass ihr unsere Mucke feiert. Sucht euch irgendeinen anderen aussage- und bedeutungslosen, inhaltsleeren 0815-Act bei dem ihr nicht anecken könnt.
Die Musik ist wiederum eine andere Frage. Ich glaube niemand, außer vielleicht AC/DC kann über 20 Jahre hinweg die gleiche Mucke machen, ohne davon selbst irgendwann gelangweilt zu sein. Lieber sollte sich dann die Musik verändern, als wenn die Acts selbst ihre eigene Mucke nicht mehr hören können und nur am Ball bleiben, weil die Kohle vielleicht grade stimmt oder das Label sagt: das ist top!

„Wenn wir ohne schlechtes Gewissen am Strand rumhängen könnten, würden wir das sicherlich tun, aber man weiß nie, ob man nicht selbst der nächste sein könnte auf den es die Nazis abgesehen haben“

Ihr seid keine rein politische Band, sondern behandelt auch allgemeinere Themen wie Liebe, Trauer, Freundschaft, Wut. Welche Songs fallen euch beim Schreiben am schwersten, welche am leichtesten?

Am schwersten sind die glücklichen Songs. Gute-Laune- Musik zu machen ist echt nicht ohne. Davor ziehe ich meinen Hut. Wenn ich gut drauf bin, fahre ich in den Urlaub, gehe feiern, besuche enge Freunde, aber ich denke garantiert nicht daran einen Song darüber zu schreiben. Während wütende, aggressive oder auch traurige Songs eine Art der Verarbeitung darstellen, um Gefühle besser zu kanalisieren. Außerdem erscheint einem das auch als angemessen und ausdruckswürdig darüber zu schreiben.

Welche Rolle spielt eure Herkunft aus der Mecklenburg-Vorpommerschen Provinz für euch und eure Musik?

Wir kokettieren natürlich ein bisschen mit unserer Herkunft aus M-V. In Meck-Pomm ist vieles scheiße, es gibt nicht so viele coole Bands oder Kollaborationen, die in unserer Region was reißen, da wünscht man sich Unterstützung, oder baut zumindest eine enge Bindung zu den Dingen, die einem was bedeuten auf. Für uns ist es einfach ein Ort auf der Welt wo wir Freunde und Familie haben. Das ist eine ironische Liebe, frei nach dem Motto, wenn es hier so wenig cooles gibt, müssen wir wenigstens das bisschen mögen, was cool ist.

Warum wählt man in dieser naziverseuchten Gegend den harten Weg und wird Punk?

Viele suchen sich das nicht aus, sondern kriegen von Übergriffen durch Nazis mit oder sind selbst Betroffene. Die haben keinen Bock, das hinzunehmen. Wenn wir ohne schlechtes Gewissen am Strand rumhängen könnten, würden wir das sicherlich tun, aber man weiß nie, ob man nicht selbst der nächste sein könnte auf den es die Nazis abgesehen haben. also hat man auch eine Solidaritätsverantwortung.

Wäre es für euch eine Option, einfach zu gehen, zum Beispiel nach Berlin?

Ja, irgendwann schon, sicher schon. Solange wird die Frage „Bleiben oder gehen“? Erstmal im Kopf bleiben.

„Der NSU hat aus dem Untergrund mindestens elf Menschen umgebracht, sowas darf nie wieder passieren.“

Auf „Nur Applaus“ verweist ihr auch auf die Zusammenhänge von NSU und Verfassungsschutz, in letzter Zeit beherrscht aber eher das Thema Pegida die Medien. Sind das für euch zwei unterschiedliche Phänomene?

Da darf man natürlich nicht alles über einen Haufen werfen oder überall nur noch Rassisten und Faschisten sehen. Der NSU hat aus dem Untergrund mindestens elf Menschen umgebracht, sowas darf nie wieder passieren. Genauso wenig, wie man Auschwitz vergessen darf. „Islamkritische“, sprich fremdenfeindliche Tendenzen ebnen derartigen Taten mindestens den Weg. Jedoch wird hier keine Waffengewalt helfen, sondern man muss die Leute mit schlüssigen Argumentationen davon überzeugen, dass ihre „Ängste“ irrational sind.

Ihr standet bereits zum dritten Mal im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg Vorpommern und seid mit der Präsentkorb-Aktion recht humorvoll damit umgegangen. Aber was bedeutet die Nennung im VS-Bericht in der Realität für euch?

Es gibt in Sachsen einen eifrigen Verfassungsschutzverantwortlichen, der zu jedem größeren Konzert von uns die Veranstalter anschreibt und auf unsere „extremistische“ Einstellung hinweist. Dr. Volker Scholz, schön dass du dein Geld mit uns verdienst, aber du bist nur ein weiterer Beweis dafür, dass Sachsen scheiße ist. Manchmal haben wir in städtischen Spielstätten dann auch Probleme, weil irgendwelche Warnungen und Gefahrenprognosen gegeben werden. Passieren tut dann letzten Endes ziemlich wenig. Bis auf dass wir eine gute Party mit dem Publikum haben und alle erschöpft in die Betten fallen.

Werdet Ihr dadurch noch mehr zur Zielscheibe von Rechtsextremen?

Denen spielt das ja am meisten in die Hände, dass der VS es auf uns abgesehen hat. so können sie immer auf „die bösen Linken“ verweisen und bekommen selbst weniger Kritik und Gegenwind. Wir selbst wissen uns aber bisher ganz gut zu schützen.

Warum hat es der VS eurer Meinung nach auf euch abgesehen?

Zu Anfang war es sicherlich eine ungeheuere Ungewissheit, was unsere Musik bei den Leuten als kollektiver Impuls auslösen kann. Aber seit sie gesehen haben, dass doch nicht überall wo wir auftauchen Mülltonnen brennen, bleibt noch die persönliche Missgunst. Man muss sich dabei ja auch mal überlegen was für eine Behörde einen da scheiße findet. Das sind die Leute, die in Thüringen jahrelang überhaupt erst ermöglicht haben, dass Uwe, Uwe und Beate zahlreiche Ausländer umbringen. Von denen werden wir gern für scheiße befunden, deshalb auch der Präsentkorb!

Wahrscheinlich wird der Verfassungsschutz auch dieses Interview lesen. Wollt ihr abschließend noch einen Gruß an die Damen und Herren dalassen?

Keine Grüße, keinen bösen Worte, für den VS haben wir nichts übrig.

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Wenn Tim nicht gerade hier ist, schreibt er für ein großes Hasen-Magazin, das natürlich hauptsächlich wegen der tollen Texte gelesen wird.

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