
One Mcee and one producer: Lorenz (rechts) und der Produzent Acura.
LORENZ RAPPT SEIT MEHR ALS zehn Jahren. Früher in Ulm, heute in Berlin. Den technikorientierten, aber warmen Sound seiner Anfangstage hat der 26-Jährige in die Gegenwart verfrachtet – aufpoliert und zeitgemäß. Hören kann man das auf seinem Debutalbum „Wurzel, Stamm und Krone“, das am 21.03. erscheint. Ein Gespräch über Bilder im Kopf, Retro als Unwort und Bushido auf Studentenparties.
Wie fing das bei dir an mit der Musik?
Lorenz: Als die Pubertät losging, hing ich mit Skatern rum, die sehr viel Punk gehört haben. Ich fand das auch fett, habe aber als einziger auch Sachen auf Deutsch gehört. Das war meine Anfangs-HipHop-Zeit, Ende der 90er als Fünf Sterne Deluxe, Freundeskreis und Blumentopf gerade groß waren. Die ersten vier Jahre war ich fast Musiknazi-mäßig auf meinem Hip-Hop-Film. Ich war einer, der damals gehatet hat als Bushido und Aggro Berlin raus kamen. Das war ein wichtiger Prozess für mich, weil sich damals für mich geformt hat, wo meine Soundeinflüsse herkommen und was mir im Rap wichtig ist. Hätte ich damals Bushido schon an mich herangelassen, wäre mein Sound heute sicher anders. Obwohl ich heute auch sage, dass „Vom Bordstein bis zur Skyline“ beatmäßig ein Deutschrap-Klassiker ist und wenn es auf irgendwelchen Studentenparties um Rap und Hip Hop geht, führe ich auch Bushido ins Feld und halte für HipHop die Fahne hoch.
Ich bin überrascht, dass du Bushido so entspannt siehst.
Lorenz: Bushido ist oft der Buh-Mann, dabei gibt es ganz viele Missverständnisse um das was er mit seiner Mucke machen will. Das wird viel zu sehr aufgeblasen, dabei ist das Kunstfreiheit und Bushido ein normaler gesettelter Typ, der Familie hat. Als ob der nachts Coke dealt und Leute absticht – das ist doch Blödsinn. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich mir Bushido-Platten kaufe und das in Rotation bei mir läuft. Da höre ich eher Sound, der mich auf mehreren Ebenen anspricht.
Ist das dann Sample-lastiger Sound? Den Eindruck könnte man zumindest auf deinem Debutalbum „Wurzel, Stamm und Krone“ gewinnen.
Lorenz: Ich wollte mit dem Album die Vorstellung von HipHop verwirklichen, die sich die letzten zehn Jahre bei mir eingebrannt hat und ein klassisches Rapalbum machen. Irgendwann bin ich auf diese Samplebeats gestoßen und kann jetzt endlich mit Vokabeln fassen, welchen Sound ich eigentlich will. Ich und mein Produzent Acura, der mich schon früher in Ulm mit Beats versorgt hat, wollten es klassisch halten und haben relativ naiv nach Platten gesucht. Wir haben Cover angekuckt, auf die Jahreszahl geschaut und gesagt, naja hören wir mal rein. Wir haben Samples gesucht, die einen geilen Vibe hatten und zu dem bei mir ein Bild im Kopf entstanden ist.
Wann habt ihr mit der Albumproduktion angefangen?
Lorenz: Die Albumphase ging im Sommer 2012 los. Da sind ein paar Songs entstanden und irgendwann kam die Idee zum Titel „Wurzel, Stamm und Krone“. Es war nicht so, dass dieser Titel von Anfang an fest stand und ich jeden Song danach geschrieben habe. Es ist auch kein durchgängiges Thema. Aber es kommen ab und zu Referenzen, die sich auf dieses Bild beziehen lassen. Das kann man natürlich verschieden deuten, etwa Wurzel ist wo ich herkomme, Stamm ist wo ich bin und Krone ist wo ich hin will. Aber eigentlich ist das eine Spielerei, ein loser Schirm der über den Songs hängt.
Was braucht man, um gute Songs zu schreiben?
Lorenz: Es ist zu 50 Prozent der Beat. Wenn nicht mehr. Mit der musikalischen Untermalung ist immer auch ein gewisser Vibe verbunden. Man kann keinen stimmigen Song machen, der gegen den Vibe geht. Inhaltlich oder von der Art zu rappen. Das muss eine Einheit sein. Inhaltlich bin ich ein Bilderfreund. Ich steh’ drauf, wenn man mit wenigen Worten in einer interessanten Kombination, also mit einem geilen Reim, ein starkes Bild schaffen kann. Und wenn das noch gut geflowt ist und einen größeren Zusammenhang hat, macht das für mich eine gute Rapstrophe aus. Da gibt es ein paar Könige in Deutschland, die das eins A drauf haben.
„Die Kombinationen sind einfach unzählig“
Zum Beispiel?
Lorenz: Reim- und textmäßig halten für mich das Zepter Kamp, Hiob und Morlockk Dilemma in den Händen. Man hört bei mir in manchen Zeilen vielleicht auch raus, dass ich die Jungs tierisch feiere. Was die an Vokabular und an Coolnes in ihrem ganz eigenen Style über die Beats bringen, ist einfach unfassbar.
Die Kamp-Assoziation kam mir bei deinem Album auch ab und zu…
Lorenz: Ich will das auch nicht verleugnen. Meiner Meinung nach müsste so ein Album wie „Versager ohne Zukunft“ gold gehen. Das ist auf lyrischem Level fast unerreicht und hat von vorne bis hinten ein geniales Thema und Ironie. Das ist so brutal ehrlich, dass es dir manchmal stecken bleibt. Es gibt ja immer diese Phrase HipHop ist tot und das alles nur noch wiedergekäut wird. Aber ich glaube, das nimmt einfach kein Ende. Die Kombinationen sind einfach unzählig.
Was entgegnest du dem Vorwurf, deine Mucke sei Retro?
Lorenz: Das ist schon ein bisschen belastend, weil mir das ja Einfallslosigkeit vorwirft. Ich würde schon sagen, dass ich das Rad nicht neu erfinde und eher der Trueschooler bin, wenn man dieses komische Wort benutzen will. Aber ich mache es aus meiner Perspektive und mit meiner Art das zu bebildern, zu betiteln und zu berappen.
Interessiert Dich Battle Rap?
Lorenz: Ich kuck mir die „Rap am Mittwoch„-Sachen schon ab und zu an und habe tierischen Respekt vor so Battlekram. Mich selbst sehe ich aber null als Battle-Mcee. Das ist nicht meine Herangehensweise. Ich bin da zu verkopft und habe zu wenig Ignoranz in der Hose. Ich bin auch kein Freestyler aber finde es beeindruckend, wenn man das auf einem hohen level schafft, dass über das „ich vergewaltige deine Familie“-Niveau hinausgeht.
„Die letzten zwei Jahre sind eine schöne Zeit gewesen“
Du lebst seit sechseinhalb Jahren in Berlin. Ist Berlin gerade eine gute Stadt für Rap?
Lorenz: Berlin ist eine gute Stadt für Kreativität, auch wenn das wie ein Klischee klingt. Ich kann mir gut vorstellen, dass hier viele Leute das finden, was sie brauchen, damit sie kreative Phasen haben. Das geht aber in jeder Stadt, wenn man sein Auge dafür geschult hat. Aber es gibt schon eine Menge Untergrundkünstler, die sich hier fast schon familienmäßig auf den Parties treffen.
War das vor sechs Jahren auch schon so?
Lorenz: Wir sind erst in den letzten zwei Jahren durch die Parties meines guten Freunds und Mitbewohners Patchu da reingerutscht (RoughRapRave und Way Down in the Hole). Aber ich habe natürlich in der Zeit Berlin kennengelernt und viel erfahren. Ich habe hier die Möglichkeit gehabt, das Album aufzunehmen und die Gegebenheiten und die Herzlichkeit die ich hier vorgefunden habe, waren wirklich großartig. Die letzten zwei Jahre sind eine schöne Zeit gewesen. Du machst erst Beats, holst neue Samples, dann sind alle Texte fertig, du gehst ins Studio und kannst es zum ersten mal wirklich anhören. Schließlich wird noch weiterarrangiert, es wird immer fetter und immer geiler und jetzt ist der Punkt das es gemastert und im Presswerk ist. Du hast es nicht mehr in der Hand. Das war ein wunderschöner Prozess, in dem ich jetzt zwei Jahre lang gesteckt habe und jetzt geht es weiter.
Das Album „Wurzel, Stamm und Krone“ bei Bandcamp
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