Willkommen zu „When I was 18“, einer neuen Serie auf punkpoprap. Hier sprechen Musiker und musikaffine Menschen über drei Songs, die in der Zeit zwischen Jugend und Erwachsenwerden für sie wichtig waren. Die Premiere übernimmt Stephan Szillus. Als Mitgründer des Plattenlabels Heart Working Class fördert er junge Künstler wie Gerard und berät Marken wie Island Records/Universal Music und Red Bull. Als Chefredakteur war er außerdem für fünfeinhalb Jahre die treibende Kraft hinter JUICE, Europas größtem HipHop-Magazin.
01. Nine — »Whutcha Want«
„Kürzlich legte mein guter Freund Ndilyo Nimindé von der Red Bull Music Academy diesen Song auf einer Privatparty in einer Kreuzberger Souterrain-Bar auf. Plötzlich fühlte ich mich dort zwischen den Rauchschwaden für drei Minuten wieder wie 18. Was primär an diesem Song lag. Und daran, dass alle dazu tanzten, denn Ndilyo hatte den Song perfekt in eine Strecke aus lässigem New Yorker Rap&B und Westcoast-Underground-Rap aus dieser Ära eingeordnet. Reibeisenstimme, Tarnuniformen und boomende Jeep Beats von Rob Lewis aus der Bronx. Ein klassischer »Representer« (*Deutschrap-Blogger-Voice*). Ich weiß bis heute nicht, was mich in meinem Surfer-Kaff daran faszinierte. Vielleicht, dass der Song auf dem verdammten »Kids«-Soundtrack war. Wir alle wollten wie Telly und Casper sein.“
02. Goldie — »Inner City Life«
„Wir hielten uns für die Verfechter der reinen HipHop-Lehre, doch plötzlich spielten da auch Jungle, Drum & Bass und all das, was wir heute in der Nerd-Diskussion als britisches »Hardcore Continuum« bezeichnen, eine entscheidende Rolle. Als ich Goldies erstes Album hörte, wurde die vorher eher funktional verstandene Clubmusik, die ohnehin in keinem Kieler Club lief, zur Kopfhörermusik. »Inner City Life«, das erste Drittel der »Timeless«-Suite: Der beste Jungle-Song aller Zeiten. Melancholisch und empfindsam wie der ganze Indierock, den man bei den Freunden um die Ohren geballert bekam, dabei aber mit den Coolness-Codes der HipHop-Kultur umgesetzt. Goldies Pieces im Booklet, die wildstyle arrangierten Amen-Breakbeats, die Handtaschen-House-Stimme von Diane Charlemagne. Ganzkörpergänsehaut, immer noch.“
03. Dr. Israel w/ Loop — »Saidisyabruklinmon (Nobwoycyantess)«
„In Williamsburg werkelten lange prä Gentrifizierung ein paar echte Homeboys von der Straße an der Zusammenführung von HipHop-Beats, Dub-Ästhetik und apokalyptischen Klangwelten. Der kurzlebige, als »Illbient« bekannte Instrumental-Stil, der vor allem von DJ Spooky, DJ Olive und der Künstler-Blase um Bill Laswell entwickelt wurde, passte perfekt in unsere verkifften Dorf-Partykeller und alternativen Jugendzentren. Während die Dudes in Brooklyn starkes jamaikanisches Weed pafften, stopften wir unsere Wasserpfeifen mit einem Gemisch aus »Van Nelle«-Tabak und dunklem Haschisch. Dieser Song vom »Crooklyn Dub Consortium«-Sampler enthielt ein Vocalzitat von Guru und fixte uns damit genau wie die auf HipHop-Samples basierenden frühen Jungle-Tunes an. Wir fanden nicht mehr nur asozialen Hardcore-Rap geil, sondern auch den ganzen abgefahrenen Styler-Kunstscheiß von Mo‘ Wax, Ninja Tune und Wordsound. Die Initialzündung für meine Liebe zu instrumentaler Beat-Wissenschaft, die dank Brainfeeder und Burial bis heute anhält.“
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